Es ist vermutlich bereits spät, während ihr euch mit der typischen Routine durch die eingegangenen Dokumente arbeitet. “Ein Brief geht noch", denkt Ihr euch, als ihr den Blick über den Papierberg werft und entscheidet, welchen ihr als nächstes bearbeitet. Und da fällt er euch auf. Ein Brief, der heraussticht. Zwischen all den mit Parfum besprühten Umschlägen, denjenigen aus seltenem und/oder speziellen Papier, jenen, die gar angekokelt wurden oder mit sonderbaren Schriftzeichen, Runen, Siegeln und sondergleichen versehen, liegt ein Brief, der euch durch seine bloße Schlichtheit zu beleidigen vermag. Ein langweiliger, beigefarbener Umschlag, lediglich mit etwas Wachs verschlossen und ohne Siegel. Ihr haltet ihn in der Hand. Vermutlich habt ihr kurz geseufzt, nicht wahr? Trotzdem öffnet ihr das Schreiben und lest eine Schrift, die der eines etwas gebildeteren Bauerns gleichkommt.
Sehr geehrte Leitung der Akademie der Arkanen Künste zu Sturmwind - Abteilung “Waldesruh”
Hiermit beantrage ich, Cylora Rowley, einen Wechsel in Ihre Abteilung.
Als kurze Erklärung hierfür dient ein angestrebter Perspektivenwechsel meinerseits. Gerne bin ich bereit, die Lage in einem persönlichen Gespräch genauer zu erläutern.
Da ich mich auf dem Gelände befinde, bin ich jederzeit auf Abruf bereit, sofern ich Sie um ein wenig Ihrer Zeit bitten dürfte und Sie dies einräumen könnten.
Anbei finden Sie die Ergebnisse meiner kürzlich abgeschlossenen Magieausbildung, sowie ein Schreiben meines früheren Abteilungsleiters, Maginor Dumas, welcher freundlicherweise seine Freigabe für diesen Antrag an Sie erteilte.
Hochachtungsvoll
Cylora Rowley
Die Ergebnisse der Ausbildung sind durchweg durchschnittlich. Es finden sich jedoch einige Bereiche, in denen es immer mal wieder zu auffälligen Spitzen in der Leistung kam. So soll sie Potenzial im Kampf zeigen, doch auch in den Fächern des Forschungszweigs fiel sie wohl immer wieder mit gesunder Neugier auf.
Im Schreiben von Maginor Dumas bestätigt er einerseits den Wechsel, entschied sich aber wohl noch dazu, einige Worte an jene Person zu richten, in deren Hände dieser Brief schlussendlich landen mag. In eigenen Worten beschreibt er, dass diese Magierin als Schülerin immer wieder auffiel. Er rät einerseits zur Vorsicht und warnt, dass diese frisch ausgebildete Magierin eine Menge Arbeit bedeute. Jedoch schreibt er weiter, dass sich diese Arbeit durchaus lohnen könnte. Er habe sein Bestes versucht, dennoch habe sie sich leider in eine falsche Richtung entwickelt. Etwas, das ihm nun etwas auf die Füße fällt und worin er sich auch eine Teilschuld einräumt. Deshalb habe er ihr geraten, ihr derzeitiges Spezialgebiet zu verlassen und in eine generelle Abteilung zu wechseln, um sich neu zu orientieren. So erhofft er sich, den Fehler der Vergangenheit korrigieren zu können.
Vielleicht seid ihr nach diesen Briefen neugierig geworden und entscheidet euch, in die Akte dieser Magierin zu schauen. Es sind viele Einträge verschiedenster Art. Recht schnell dürfte euch klar werden, was das Problem sein könnte. Herkunft aus einer ärmeren Handwerkerfamilie, musste die Gebühren von Monat zu Monat bezahlen. Immer wieder ließ sie den Unterricht aus, später wurde sie als Aushilfe in verschiedenen Läden der Stadt gesehen. Irgendjemand hat sich mal die Mühe gemacht, genauer zu recherchieren und fand heraus, dass die Familie gar ihr Haus in der Altstadt verkauft hatte und aus der Stadt gezogen ist, um noch zusätzlich etwas Geld für die Ausbildung aufzutreiben. Immerhin konnte man beobachten, dass sich ihre Konzentration schlagartig verbesserte, nachdem die Gebühren für die Akademie vollständig auf dem Tisch lagen. Doch auch sonst scheint sie keinen freien Kopf zu haben. Ständig schien ein Gedanke in ihrem Kopf herumzugehen, der sie vom Unterricht abzuhalten schien. Anfangs hatte man gedacht, dass sie eine geborene Kampfmagierin sei, denn dort konnte sie sich plötzlich gut fokussieren, was man als Interesse verstand. Mittlerweile glaubt man jedoch eher, dass dies eine gesonderte Situation war, die ihr lediglich bei der Konzentration half. Es bleibe zwar abzuschätzen, welches Potenzial vielleicht in ihr schlummerte, doch wurde man sich mit der Zeit immer sicher, dass ihre Leidenschaft nicht zwangsweise im Kämpfen lag. Sie zeigte immer wieder Anzeichen, dass sie sich für die Forschung interessiere. Immer wieder beobachtete man sie dabei, wie sie versuchte, einige kleine Beschwörungen durchzuführen, Gegenstände zu verzaubern, oder sie durch die Luft fliegen zu lassen. Schlussendlich entwickelten sich daraus Talente für Herbeirufungszauber, Verzauberungen, sowie Telekinese, wobei man bei keinem dieser Bereiche von einer Spezialisierung reden könnte, da sie sich noch in einem Anfangsstadium befinde, woran man jedoch arbeiten könnte. Absolute Unfähigkeit wird ihr im Zweig des Höfischen zugesprochen. Auch sonst gibt es einige Eigenheiten, die man an ihr kritisiert. Gelegentlich zu emotional, weigert sich Fleisch zu essen, obwohl ihr oft dazu geraten wurde, um ihre Kräfte zu regenerieren. Den Einträgen kann man entnehmen, dass einige Magier verwundert sind, wie sie es überhaupt durch die Prüfung schaffen konnte. Sonderlich viele Unterstützer finden sich jedenfalls nicht. Eher einzelne Stimmen, die überzeugt sind, dass man sie noch gerade biegen könnte, wenn man ihr bloß helfen würde, mit dem abzuschließen, was auch immer ihr im Kopf rumschwirrte.